Stärken stärken – Was wir von der Positiven Psychologie lernen können
Wir sind es gewohnt, auf unsere Schwächen zu schauen. In Feedbackgesprächen, in Zeugnissen, in unserem eigenen Kopf. Der Blick geht oft dahin, wo es nicht reicht, wo wir besser werden „müssen“. Und so vergehen Jahre, in denen wir uns ständig an dem abarbeiten, was uns vermeintlich fehlt.
Die Positive Psychologie dreht diesen Blick um. Sie fragt nicht: Was läuft falsch? Sondern: Was läuft schon richtig – und wie können wir mehr davon leben?
Das ist kein Schönreden. Es ist ein Paradigmenwechsel. Und einer, der sich lohnt.
Was ist Positive Psychologie eigentlich?
Gegründet wurde sie von Martin Seligman und Mihaly Csikszentmihalyi – zwei Pioniere, die mehr wollten als nur die Abwesenheit von Krankheit. Sie forschten an dem, was Menschen innerlich wachsen lässt: an Freude, Sinn, Flow, Stärken. Nicht, um Probleme zu ignorieren, sondern um das zu stärken, was trägt.
Im Zentrum steht dabei: der Mensch als aktiver Gestalter seines Lebens. Mit Ressourcen, Fähigkeiten, Potenzialen – nicht nur mit Baustellen.
Charakterstärken: 24 Wege, sich selbst besser zu verstehen
Ein zentrales Werkzeug der Positiven Psychologie ist das VIA-Stärkenmodell. Es beschreibt 24 universelle Charakterstärken – Dinge wie Neugier, Humor, Fairness, Ausdauer oder Dankbarkeit. Jede*r trägt sie in sich – aber in unterschiedlicher Ausprägung. Und genau das macht es spannend.
Die Idee: Wenn wir unsere persönlichen „Signature Strengths“ – also unsere wichtigsten Stärken – kennen und gezielt einsetzen, leben wir erfüllter, motivierter und authentischer.
Das Ganze lässt sich sogar testen: Das VIA-IS-Inventar (kostenfrei über viacharacter.org) ist wissenschaftlich fundiert und bringt oft überraschende Ergebnisse – im besten Sinne.
Ein paar Beispiele aus der Praxis
- Jemand mit der Stärke „Neugier“ blüht auf, wenn Neues entsteht. Lange Routinen können dagegen eher frustrieren.
- Wer „Teamwork“ vorn hat, sucht Verbindung – und fühlt sich in isolierten Rollen oft unterfordert.
- Menschen mit starker „Dankbarkeit“ finden Stabilität darin, bewusst das Gute zu sehen. Ein Dankbarkeitstagebuch kann hier nicht nur Freude machen, sondern auch eine verlässliche Ressource im Alltag werden.
Was daraus folgt: Wer seine Top-Stärken kennt, trifft bessere Entscheidungen – im Beruf, in Beziehungen, im Umgang mit sich selbst.
Warum das mehr ist als „nett zu wissen“
Unsere Stärken wirken wie ein innerer Kompass. Sie zeigen uns, wo es leicht wird. Wo wir „wir selbst“ sind – ohne uns zu verstellen. Und gerade in Zeiten, in denen vieles von außen bestimmt ist, kann dieser Kompass uns Orientierung geben.
Stärkenorientierung heißt nicht: Alles ist leicht. Aber es heißt: Ich weiß, worauf ich mich verlassen kann – auch dann, wenn’s schwierig wird.
3 kleine Impulse zum Einstieg
- Mach den Stärkentest – und nimm dir Zeit für die Ergebnisse.
Lies deine fünf wichtigsten Stärken durch. Was überrascht dich? Was fühlt sich sofort stimmig an? Wo lebst du diese Stärken – und wo vielleicht (noch) nicht? - Suche den Abgleich im Alltag.
Beobachte eine Woche lang: Wann fühlst du dich bei der Arbeit lebendig? Wann verlierst du die Zeit aus den Augen? Welche Stärke steckt dahinter? - Sprich darüber.
Tausche dich mit Kolleg:innen oder Freunden aus: Was sind ihre Stärken? Wo könnt ihr euch gegenseitig ergänzen? Oft entstehen daraus nicht nur Aha-Momente – sondern auch neue Formen von Wertschätzung.